Circular Design und Produktgestaltung.
Die Rolle des Service Designs für nachhaltiges Produktdesign
Circular Design oder Circular Economy, was ist das überhaupt und was braucht es dafür?
Immer mehr Produkte tragen Labels wie recyclingfähig, aus xy% Recyclingkunststoff oder präsentieren sich als nachhaltig. Ein Trend, der grundsätzlich in die richtige Richtung geht. Allerdings ist es kein Geheimnis: Eine der wichtigsten Rollen im Produktlebenszyklus spielen die Nutzerinnen und Nutzer. Denn sie entscheiden letztlich darüber, ob und wie das Produkt im Wertschöpfungskreislauf verbleibt. Mit Blick auf Circular Design können nachhaltige Serviceangebote Konsumierende beim Rückführen unterstützen und so eine wirkliche Kreislaufwirtschaft ermöglichen.
Wir haben daher untersucht, inwieweit Service Design Teil eines jeden nachhaltigen Produktgestaltungsprozesses sein kann, welche Optionen es bereits gibt und welche Auswirkungen dies auf die Menschen sowie die Produktgestaltung der Zukunft hat.
Re-Use sticht Recycling
Die Begriffe Recycling und Nachhaltigkeit sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Auch bei der Entwicklung von Produkten wird diesen Themen zunehmend Beachtung geschenkt und nachhaltige Materialien erfreuen sich stetig steigender Nachfrage. Doch was passiert nach dem Kauf und Gebrauch? Recyceln und den Rohstoff wiederverwenden
Wenn es nach dem System der Circular Economy geht - erstmal nein.
Klingt komisch?
Hier zwei Fakten zum Hintergrund:
- Kunststoff kann in den meisten Fällen nur wenige Male recycelt werden, bevor die Qualität nachlässt.
- Eine Aluminiumdose hat eine Recyclingrate von 90 %. Bei einem durchschnittlichen Nutzungszeitraum von nur 3 Monaten pro Getränkedose, wäre diese nach 4 Jahren also „verbraucht“, wie es die Ellen MacArthur Foundation beschreibt.
Diese Beispiele zeigen: Rohstoffe sind nicht unendlich wiederverwertbar.
Damit diese aber möglichst lange im Kreislauf bleiben und wenig neue Energie aufgewendet werden muss, sollte vor dem Recycling die Wiederverwendung (Re-Use) von Produkten im Vordergrund stehen. Zusammengefasst wird dieser Gedanke im Circular Design bzw. dem System der Circular Economy. Im Idealfall durchläuft ein Produkt dabei mehrere Stadien, bevor es schlussendlich recycelt wird.
Für uns als Designer:innen bedeutet dies, den Fokus nicht nur auf die direkte Nachhaltigkeit des Produktes zu legen, sondern den gesamten Produktlebenszyklus in den Gestaltungsprozess einzubeziehen. Nachhaltiges Design hört nicht nach der Nutzung auf, sondern fängt erst dann richtig an.
In einer Studie von Roy et al., entsorgten 63 % der Befragten recyclingfähige Kunststoffe wissentlich auf nicht recyclingfähige Weise. Und das, obwohl 83 % in derselben Studie angaben, dass Recycling für sie eine hohe Priorität hat. Die in den Interviews gesammelten Informationen zeigen deutlich, dass ein Mangel an Aufklärung und Optionen, wie welcher Kunststoff recycelt werden kann, dazu führt, dass Menschen lieber den einfacheren, gewohnten Weg wählen. Es sind diese Gewohnheiten, die ein gut durchdachter Service durchbrechen kann und muss. Eine Studie von Rosenthal et al. bestätigt dies. Sie zeigt, dass sich ca. 45 % der Probant:innen für Recycling entscheiden, wenn die Recyclingoption und die Nicht-Recyclingoption gleich leicht zu erreichen sind. Wird die Recyclingoption jedoch einfacher und verständlicher angeboten, steigt der Anteil auf über 90 %.
»Simplifying a behavior is an effective way to promote it [...]«
Rosenthal et al. 2021
Nachhaltige Produkte sind also nur so gut, wie der Service für ihre Wiederverwendung. Ist es zu kompliziert, wird es nicht gemacht. Doch welche Optionen gibt es, um Menschen durch den Dschungel der Produktentsorgung zu führen?
Own the product not the package
Wenn du in den letzten Monaten ein Coffee-To-Go bestellt hast, bist du sicher nicht umhingekommen, einen reCup „dein Eigen“ zu nennen. Vor allem im Verpackungssegment etablieren sich immer mehr Alternativen zu den gängigen Einwegprodukten. Mieten statt Besitzen lautet die Devise.
Das Interesse an Refill/Return Optionen liegt, nach einer Studie von IGD aus dem Jahr 2021, bei 80 %. Dabei geben die Befragten die leeren Verpackungen lieber im Geschäft zurück, als sie dort selbst wieder aufzufüllen. Die Firma „Loop“ hat dies aufgegriffen und bietet in Zusammenarbeit mit vielen großen Marken Mehrwegverpackungen an. Die Kombination aus Wissensvermittlung zum Thema Recycling am POS, gepaart mit einer einfachen Option zum umweltbewussten Konsum, macht es Konsumierenden sehr leicht, an der Kreislaufwirtschaft zu partizipieren.
Dass „Product-as-a-Service“ nicht nur bei Verpackungen funktioniert, zeigt Miele. Mit dem Angebot, eine Waschmaschine zu mieten statt zu kaufen, ermöglicht das Unternehmen einem breiten Kundenkreis den Zugang zu hochwertigen, reparierbaren Waschmaschinen.
Wie eine Studie beschreibt, erleben Kunden und Kundinnen verschiedene Hürden bezüglich der Reparatur ihrer Produkte. Hohe Kosten im Vergleich zum geringen Anschaffungspreis, mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie der hohe Zeitaufwand sind einige der genannten Punkte. Ein Rundum-Sorglos-Service, der im Mietpreis der Waschmaschine enthalten ist, räumt all diese Hürden aus dem Weg. So kann die Waschmaschine über mehrere Jahre in den ersten beiden Stufen des Circular Economy Systems (Reparatur und Re-Use) verbleiben, bevor sie dann erst in die nächste Phase übergeht.
It is ok to own!
Im Idealfall besitzen wir kaum noch etwas selbst. Es gibt jedoch Produkte, die besitzen wir gerne, mit denen verbinden wir Emotionen oder nennen sie aus hygienischen Gründen gerne unser Eigen. Diese Produkte benötigen jedoch von Zeit zu Zeit eine Reparatur oder sind nach einem Zeitraum X am Ende ihrer (Material-)Kräfte angelangt. Auch hier ist neben dem Produkt ein Service für einen umweltbewussten Konsum unumgänglich.
Stell dir vor, dein Stubentiger hat einen Teil seiner Katzentoilette so sehr beansprucht, dass es ausgetauscht werden muss. Wenn es keine Möglichkeit gibt, dieses Teil zu ersetzen, musst du dich von dem Produkt trennen. Dann zu recherchieren, wie und wo man es fachgerecht recyceln kann? Seien wir ehrlich - passiert eher nicht!
Marken wie elly&bruce, die zusätzlich zu ihrem Produkt einen Service anbieten, welcher die Kunden und Kundinnen bei der Reparatur und Entsorgung des Produktes unterstützt, gehen die extra Meile, um einer Circular Economy näherzukommen.
Natürlich kann es Gründe geben, warum ein Unternehmen keine Möglichkeit sieht, einen eigenen Recycling- oder Austauschservice anzubieten. In solchen Fällen helfen Drittanbieter wie Terracycle.
Terracycle kümmert sich um die gesamte Recyclinglogistik und bietet den Unternehmen einfache Lösungen für die Entsorgung ihrer Produkte an. Die Hersteller der Produkte sind als Kooperierende mit im Boot und müssen lediglich die Recyclingoption gut bewerben. Auch wenn Recycling die letzte Option sein sollte, ist die kontrollierte Entsorgung von Produkten wesentlich besser für die Umwelt als herkömmliche Methoden. Im Vergleich zur Deponierung und Verbrennung haben die Recyclingmethoden von Terracycle, nach eigenen Angaben, durchschnittlich 45 % weniger Auswirkungen auf die Umwelt.
Wir halten also fest:
Für eine erfolgreiche Nachhaltigkeit eines Produktes im Sinne der Circular Economy ist die Unterstützung der Verbraucher:innen unerlässlich. Aber auch hier gibt es Grenzen.
Falscher Ehrgeiz
Studien deuten darauf hin, dass ein auf Wiederverwendung oder Recycling ausgerichtetes Serviceangebot auch kontraproduktiv sein kann.
Van Doorn et al. zeigen in ihrer Untersuchung, dass bei der Auswahl zwischen Plastikbechern und Glasbechern die Entscheidung für den Plastikbecher um 13% stieg, wenn die Option des Recyclings angeboten wurde. Ähnlich verhielt es sich in einer anderen Studie mit dem Pro-Kopf-Verbrauch von Papierhandtüchern, der anstieg, als ein Recyclingbehälter zur Verfügung stand. Wie van Doorn et al. schreiben, wird dieser Effekt durch ein „warm Glow“ Gefühl erklärt, welches durch die Tätigkeit des Recyclings erzeugt wird und somit die Entscheidung gegen ein nachhaltiges Produkt positiv beeinflusst.
Im Zusammenhang mit Produkten wie der L.O.L. Suprise Spielzeuglinie, die hauptsächlich auf das Auspacken ausgerichtet ist und somit beim „Spielen“ enorme Mengen an Abfall produziert, klingt somit ein Recyclingprogramm fast schon toxisch.
Solange das Produkt selbst nicht nachhaltig ist und damit auch die Art und Weise des Konsums, kann eine an sich gut gemeinte Dienstleistung die Nutzer:innen aus ihrer Eigenverantwortung entlassen und umweltschädliches Konsumverhalten legitimieren. Anstatt das Abfallaufkommen vom Produktprinzip her zu reduzieren, wird der negative Umwelteinfluss mit einem Recyclingangebot kaschiert und ein Alibi geschaffen, das die Konsumierenden in eine Wohlfühlblase hüllt.
Wichtig also für dich und dein Produkt :
Gestalte dein Produkt so, das es einen nachhaltigen Konsum unterstützt und lass es dann mit einem Service im Kreis laufen.
Worauf du beim nachhaltigen Design achten solltest, erfährst du in unserem Blogbeitrag zum Thema, schau doch mal rein: Design & Nachhaltigkeit. 3 Strategien für ökologisches Design
Im Schatten nicht mehr erreichbarer Klimaziele kommt der erfolgreichen Integration von Circular Design eine extrem hohe Bedeutung zu. Die Nachfrage nach Produkten und Serviceangeboten, die diese Anforderungen erfüllen, wird in den kommenden Jahren seitens der Gesellschaft sowie der Politik weiter steigen. Dies kann und wird die Art und Weise, wie wir Produkte gestalten, in Zukunft immer stärker beeinflussen.
Austauschbares Design für eine Circular Economy
Betrachten wir das oben genannte Beispiel der Loop-Verpackungen, so tritt die eigentliche Verpackung immer mehr in den Hintergrund. Verschiedene Marken unterscheiden sich nur noch durch die Etiketten, nicht mehr durch die Form der Verpackung.
Konsequent weitergedacht, müssten also auch andere Produkte untereinander austauschbar sein. Was heute schon bei USB-Ladesteckern und Bierflaschen der Fall ist, kann in einigen Jahren auch für Teile von Waschmaschinen oder Kaffeemaschinen gelten. Die Schaffung einer Reparaturfreundlichkeit durch Standardisierung wird Einfluss darauf haben, wie wir in Zukunft mit charakteristischen Formensprachen umgehen. Wie setzen wir Farben ein? Welche Elemente dürfen noch markenprägend sein und wie schaffen wir den Spagat zwischen Eigenständigkeit und Austauschbarkeit?
Diese Fragen werden uns in Zukunft wahrscheinlich immer mehr begleiten und es ist jetzt an der Zeit, sich mit Gedankenexperimenten Lösungen anzunähern. Wir leben in einer außergewöhnlichen Zeit, in der wir noch die Chance haben, etwas zu verändern - radikal zu verändern.
Bist du dabei?
[Loop-Bilder zur Verfügung gestellt vom loop-media-room]